Lange Zeit hegten zahlreiche Deutsche Ängste vor Wirtschaftsmigranten aus Afrika. Doch in Abkehr von der bisherigen Zurückhaltung sucht Berlin nun aktiv nach diesen Menschen.
An Freitagen, die in Ghana als Tag der bunten T-Shirts gelten, tragen alle Mitarbeiter des Migrationszentrums pinkfarbene Shirts mit beige-rot-weißem Muster. Das „GIZ“-Logo ist dezent in das Muster eingearbeitet. Dieser kleine Akt der Selbstdarstellung steht für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die das Zentrum betreibt. Die farbenfrohen Hemden haben eine politische Bedeutung: Seit zwei Jahrzehnten ermutigt eine Regierungsinitiative die Ghanaer, jeden Freitag ihr afrikanisches Erbe zu feiern. Außerdem wird durch diese wöchentliche Veranstaltung die lokale Textilindustrie angekurbelt.
Während die Mitarbeiter des Migrationszentrums die Vorzüge Ghanas feiern, haben die meisten Besucher des Zentrums einen anderen Schwerpunkt: die Ausreise nach Deutschland.
Die ghanaische Niederlassung des Europäischen Zentrums für Arbeit, Migration und Entwicklung ist ein idealer Ort, um den dramatischen Wandel in der deutschen Einwanderungspolitik zu erleben. Gegründet im Jahr 2017, lautete die Botschaft des Zentrums bis Februar 2023 stets: „Warum nicht die Chancen hier in Ghana nutzen? Die Auswanderung nach Europa kann gefährlich sein.“ Außerdem sollten spezielle Programme die Rückkehr von in Deutschland lebenden Ghanaern in ihr Heimatland erleichtern.
Anfang dieses Monats erfuhr die Botschaft jedoch einen Wandel. Um die neue Ausrichtung zu unterstreichen, reisten zwei deutsche Minister in das westafrikanische Land: Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Arbeitsminister Hubertus Heil. Sie besuchten das Migrationszentrum und erkundeten kleine Beratungsräume und das offene Atrium. Heil betonte die Notwendigkeit, alle Anstrengungen zu unternehmen, um qualifizierte Fachkräfte anzuwerben, während Schulze das „enorme Potenzial“ der Migration lobte. Gemeinsam signalisierten sie einen deutlichen Wandel in der deutschen Einwanderungspolitik, insbesondere in Bezug auf Afrika.
Im flotten GIZ-Freitagsshirt sitzt eine engagierte Mitarbeiterin an ihrem Schreibtisch, zwei Handys vor sich. Die Bildschirme leuchten ständig mit neuen Anrufen und Nachrichten auf. „So geht das seit ein paar Tagen“, sagen sie, die seit 2017 in dem Zentrum arbeiten. Die zunehmende Offenheit in Deutschland spricht sich schnell herum.
In den vergangenen vier Jahren ermutigten die Mitarbeiter die Besucher des Büros, die zahlreichen Möglichkeiten in Ghana zu erkennen und betonten, dass das Land Menschen mit ihren Fähigkeiten brauche. Sie schlugen den Besuchern vor, ein Unternehmen zu gründen, und informierten sie über legale Wege nach Europa, allerdings nur „reaktiv“, d. h. auf konkrete Anfragen hin. Die Möglichkeiten waren begrenzt, z. B. als Au-pair-Mädchen zu arbeiten oder an einer deutschen Universität zu studieren, vorausgesetzt, der Bewerber hatte die von der deutschen Regierung geforderten 11.000 Euro auf seinem Konto. Diese Möglichkeiten waren jedoch in der Regel das volle Ausmaß des Angebots.
In jüngster Zeit standen die Berufsberater des Migrationszentrums vor der schwierigen Aufgabe, den Menschen in Ghana Hoffnung zu geben. Die COVID-19-Pandemie hatte lähmende Auswirkungen auf die Wirtschaft, gefolgt von einem drastischen Anstieg der Lebenshaltungskosten im vergangenen Jahr, der zu einer himmelhohen Inflation führte. Daraufhin kam es im ganzen Land zu Protesten. Erschwerend kommt hinzu, dass die ghanaischen Universitäten jedes Jahr eine wachsende Zahl von Hochschulabsolventen hervorbringen, die die Kapazität des Arbeitsmarktes übersteigt, was zu einer hohen Jugendarbeitslosigkeit geführt hat. Aus Umfragen geht hervor, dass die Mehrheit der jungen Ghanaer bereit ist, ihr Heimatland zu verlassen. Der neue Ansatz zur Einwanderung, der sich auf die Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte konzentriert, wurde von den Berufsberatern positiv aufgenommen, die darin eine dringend benötigte Veränderung sehen.
Bisher waren Kanada, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten die wichtigsten Zielländer für potenzielle Auswanderer, was oft zu langen Schlangen vor den Botschaften dieser Länder führte. Vor allem in Kanada ist es für gut ausgebildete Ghanaer relativ einfach, ein Visum und eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Auch das Vereinigte Königreich wirbt aktiv um Fachkräfte im Gesundheitswesen, um den Mangel in seinen Krankenhäusern zu beheben.
Im Gegensatz dazu konzentrierte sich der deutsche Ansatz in erster Linie darauf, Menschen von der Einwanderung abzuhalten. Der Begriff „Wirtschaftsmigration“ in Verbindung mit „Afrika“ hat bei vielen in der deutschen Politik Befürchtungen geweckt. Das Potenzial gut ausgebildeter junger Menschen aus Ländern wie Ghana, Nigeria und Kenia wurde im öffentlichen Diskurs weitgehend übersehen.
Um diese Probleme anzugehen, hat Deutschland im März 2020 das Fachkräftezuwanderungsgesetz eingeführt, das den Zuwanderungsprozess vereinfachen soll. In der Praxis bleiben jedoch erhebliche Herausforderungen bestehen, insbesondere im Hinblick auf den komplexen Prozess der Anerkennung von Abschlüssen und Diplomen. Die derzeitige Regierungskoalition unter der Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz beabsichtigt, die legale Zuwanderung zu vereinfachen. Gleichzeitig hat das Entwicklungsministerium in Berlin eine neue Afrikastrategie vorgestellt, in der Migration als Chance und nicht als Grund zur Sorge dargestellt wird, wobei Ghana im Mittelpunkt dieses neuen Ansatzes steht.
Das passt perfekt zur Strategie der deutsch-ghanaischen Personalvermittlung getINNOtized. Das Unternehmen bietet in Accra IT-Schulungen an, an denen bereits über 3.000 Ghanaer teilgenommen haben. Einige der frischgebackenen Fachkräfte erhalten nach Abschluss eine Anstellung bei deutschen Unternehmen, die wiederum die Kurse von getINNOtized in Ghana finanzieren. „Letztlich profitieren alle davon“, versichert Firmengründer Ulrich Busch. Allerdings scheint die deutsche Bürokratie diesen Ansatz noch nicht ganz verstanden zu haben.
Centurion Plus
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