von N. J. Ayuk, CEO der Centurion Law Group
Selbst unter besten wirtschaftlichen Bedingungen kann es sich für kleinere Unternehmen und Start-ups als schwierig erweisen, für Kosten juristischer Dienstleistungen aufzukommen. Und so ist es erst recht nicht verwunderlich, dass angesichts der COVID-19-Pandemie, die derzeitig die Weltwirtschaft und somit auch den Cashflow von Unternehmen in Mitleidenschaft zieht, viele Firmen ihre juristischen Anforderungen in den Hintergrund stellen. Ähnliches war in der Vergangenheit zu beobachten, beispielsweise während der letzten globalen Wirtschaftskrise, in der die Nachfrage nach Dienstleistungen bei US-amerikanischen Anwaltskanzleien von 4,1 % im Jahr 2007 auf -5,1 % im Jahr 2009 sank.
Zwar ist es angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen verständlich, wenn Unternehmen auf Rechtsdienstleistungen verzichten; dies ist jedoch als eine riskante Praxis anzusehen, da sie sich durch mangelnde juristische Beratung in Bereichen wie beispielsweise der Vertragsgestaltung oder der Festlegung von Beschäftigungsrichtlinien rechtlich angreifbar machen können. Dies erhöht das Risiko kostspieliger Haftungen, und das gerade zu einer Zeit, in der Rechtsverteidigungen oder Vergleiche für viele Unternehmen eine besondere finanzielle Herausforderung darstellen würden.
Qualitativ hochwertige juristische Dienstleistungen, ganz gleich welchen Umfanges, sollten sich nicht außerhalb der finanziellen Reichweite von Unternehmen befinden, und es liegt am juristischen Berufsstand sicherzustellen, dass ein umfassendes Angebot erschwinglicher Rechtsdienstleistungen existiert. In diesem Zusammenhang sollten wir als Juristen wesentliche Änderungen an unserer Arbeitsweise vornehmen, sodass den rechtlichen Bedürfnissen von Unternehmen jetzt und in der neuen wirtschaftlichen Normalität nach der Pandemie, wie immer Letztere auch aussehen mag, entsprochen wird.
Anfang dieses Jahres lobte American Lawyer die nordamerikanische Anwaltschaft dafür, dass sie sich durch offene Kommunikation und flexible Bereitstellungen von Dienstleistungen den Anforderungen von Mandanten in der derzeitigen schwierigen Situation in angemessener Weise stellt.
Dies ist beispielgebend und Juristen auf der ganzen Welt sollten Vergleichbares tun.
Ich denke, dass das Angebot flexibler Rechtsdienstleistungen, auch als On-Demand-Rechtsdienstleistungen bekannt, ein bedeutender Schritt in diese Richtung ist. Flexible Modelle ermöglichen es Unternehmen, mit hervorragenden Juristen zusammenzuarbeiten, die auf Projektbasis und somit für erheblich geringere Kosten zur Verfügung stehen, als dies bei der Inanspruchnahme traditioneller Anwaltskanzleien oder der Einstellung interner Juristen der Fall wäre. Unternehmen erhalten so erschwingliche juristische Dienstleistungen, ohne bei der Qualität Abstriche machen zu müssen. Und auch für Juristen birgt dieses Modell Vorteile, da es neue Möglichkeiten rechtlicher Tätigkeiten eröffnet, die ihnen ansonsten nicht ohne Weiteres zugänglich wären, und mehr Kontrolle über ihre Arbeitszeit erlaubt.
Die Centurion Law Group hat Anfang des Sommers in Berlin und Frankfurt ein flexibles Servicemodell, Centurion Plus, eingeführt. Wir sind nicht die Ersten, die diese Option anbieten, aber unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass es in ganz Europa und in vielen Ländern der Welt nach wie vor an flexiblen Rechtsdienstleistungen mangelt. Ich hoffe, dass weitere juristische Unternehmen unserem Beispiel folgen werden, was sowohl für Mandanten als auch für den Berufsstand der Juristen eine Reihe von Vorteilen bedeuten würde.
Durch das flexible Modell werden qualitativ hochwertige juristische Dienstleistungen erschwinglich
Flexible Rechtsdienstleistungen können, je nach Anbieter, unterschiedlich sein; was ihnen jedoch gemein ist, ist die projektbasierte Zusammenarbeit zwischen Juristen und Unternehmen. Firmen, die diesen Service anbieten, verfügen über große Pools nachweislich qualifizierter und erfahrener Juristen, die in einer Vielzahl von Fachgebieten spezialisiert sind und ihre Tätigkeit auf Vertragsbasis ausüben. Unternehmen, die einen projektbezogenen Bedarf äußern, werden mit den entsprechend qualifizierten Juristen zusammengeführt, die sofort mit der Arbeit beginnen können. In den meisten Fällen sind diese Juristen in Form von Fernarbeit tätig, sie können aber auch direkt vor Ort verfügbar sein. Diese flexible, vertragsbasierte Tätigkeit bedeutet außerdem, dass die jeweiligen Juristen keine abrechnungsfähigen Stundenquoten einhalten müssen und dass ihre Sätze keine Arbeitnehmersozialleistungen oder Gemeinkosten beinhalten. All dies macht flexible Rechtsdienstleistungen zu einer unaufwändigen, praktischen und erschwinglichen Angelegenheit, selbst für Unternehmen mit begrenzten finanziellen Ressourcen.
Das flexible Modell ist auch für Juristen von Vorteil
Das flexible Modell entspricht auch den Bedürfnissen vieler Juristen, und während der aktuellen COVID-19-Krise bedeutet es für so manchen von ihnen eine hervorragende Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Anstatt dem Risiko einer Entlassung ausgesetzt zu sein, werden durch diese Herangehensweise mit größerer Wahrscheinlichkeit Aufträge erhalten, da das Modell eine günstigere Option für Mandanten darstellt als herkömmliche Anwaltskanzleien oder interne Juristen. Darüber hinaus können hierbei Juristen abteilungsübergreifend eingesetzt oder zwischen Anwaltskanzleien mit bestehenden Vereinbarungen „geteilt“ werden, wodurch sich die Möglichkeiten, mit Kunden zusammenzuarbeiten, erheblich erweitern.
Außerdem kommt das flexible Modell den Bedürfnissen von Juristen mit Kindern in erheblichem Maße entgegen. Eine juristische Tätigkeit kann sich beispielsweise als Herausforderung darstellen, wenn Unsicherheit darüber besteht, ob Schulen geöffnet sind. Zwar sind die Regierungen der deutschen Bundesländer momentan zuversichtlich, dass der persönliche Unterricht an Schulen fortsetzt werden kann, aber eine Garantie dafür besteht nicht. Deshalb können flexible Planungen und die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, für Juristen mit Kindern von unschätzbarem Wert sein. Des Weiteren ist die Fernarbeit im Rahmen eines flexiblen Rechtsberatungsmodells ideal für Juristen mit Gesundheitsproblemen oder gesundheitlich gefährdeten Familienmitglieder, die nicht riskieren können, COVID-19 ausgesetzt zu werden. Und wenn wir früher oder später zu einer wiedererstarkten Wirtschaft zurückgekehrt sein werden und die Pandemie der Vergangenheit angehören wird, bieten flexible Modelle Juristen die Möglichkeit, lange Arbeitstage, die in dieser Branche üblich sind, zu vermeiden und gleichzeitig ihrer beruflichen Leidenschaft nachzugehen.
Wir müssen innovativ sein
Wie ich bereits erwähnt habe, ist eine flexible Rechtsdienstleistung keineswegs ein neues Konzept. Tatsächlich haben einige amerikanische und europäische Firmen bereits nach der letzten Weltwirtschaftskrise vor mehr als einem Jahrzehnt begonnen, diese Art von Service anzubieten. Es sind jedoch wesentlich mehr Firmen weltweit erforderlich, die dieses neue Modell übernehmen und darauf aufbauend weitere Innovationen vorantreiben. Anbieter juristischer Dienstleistungen müssen in noch höherem und flexiblerem Maße den Bedürfnissen und Problemen potenzieller Mandanten entgegenkommen und entsprechende Lösungen bereitstellen. In diesem Zusammenhang ist es auch notwendig, die Mitglieder des juristischen Berufsstandes besser und auf allen Ebenen zu unterstützen. Wie können wir diesen zu noch mehr Erfolg verhelfen? Erfolgreiche Unternehmen anderer Branchen befinden sich in stetiger Entwicklung und häufigem Wandel, was Problemlösungen und, falls erforderlich, umfängliche Neuerfindung einschließt. Juristische Dienstleister sollten es diesen gleichtun.
Wenn wir in der COVID-19-Ära und der darauf folgenden Zeit effektiv sein wollen, müssen wir bereit sein, uns von Traditionen zu lösen und neue Arbeitsweisen zu entwickeln, die Anpassungen an veränderte Gegebenheiten ermöglichen. Wir müssen nach vorne schauen, damit wir die Bedürfnisse unserer Kunden in Zukunft erfüllen können.
N. J. Ayuk, CEO der Centurion Law Group. LinkedIn.