Vor Kurzem hat sich Deutschlands Verpackungsindustrie wieder auf der FACHPACK in Nürnberg unter dem diesjährigen Leitthema ‘Umweltgerechtes Verpacken’ getroffen. Die Auseinandersetzung mit einem solchen Thema erscheint besonders relevant, da nach aktuellen Statistiken des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) im Jahr 2019, 72 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf bei privaten Endverbrauchern gesammelt wurden, wobei Letzteres einen Anstieg von 4 Kilogramm im Vergleich zu 2018 darstellt und Mecklenburg-Vorpommern am meisten verbraucht. Gerade da Start-ups in der Verpackungsindustrie dieses Problem angehen könnten und gleichzeitig umweltfreundliche Verpackungen fördern könnten, hat dieser Artikel einige Inspirationen für die Biokunststoff-Industrie gesammelt – eine Branche, die kurz davor steht vollständig biobasierte und zu 100 % recycelbare Verpackungslösungen zu entwickeln!
Der Impakt von Biokunststoffverpackungen
Bioplastik kurz erklärt
Wie ein Papier der Deutschen Umwelthilfe (DHU) darlegt,
„[d]er Begriff ‚Biokunststoff‘ kann sich entweder auf ‚biobasierte‘ oder auf ‚biologisch abbaubare‘ Kunststoffe beziehen. ‚Biobasiert‘ bedeutet, dass das Material teilweise oder größtenteils aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird.“
Deutsche Umwelthilfe e.V., 2018
Beispiele für Biokunststoffe sind Stärkeblends, Bio-PET (Polyethylenterephthalat), Bio-PE (Bio-Polyethylen), Bio-PP (Bio-Polypropylen) und PLA (Polymilchsäure), wobei Kombinationen aus PLA und Stärke beispielsweise für Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden können. Wie Muller, González-Martínez und Chiralt, drei Forscher der Polytechnischen Universität Valencia, beschreiben, besitzen PLA-Stärkeplatten antimikrobielle und antioxidative Fähigkeiten. Darüber hinaus bieten bestimmte PLA-Stärke-Verhältnisse (70–30 oder 80–20) in Kombination mit epoxidiertem Sojabohnenöl und Maleinsäureanhydrid, oder Rizinusöl und Hexamethylendiisocyanat, eine gute mechanische Beständigkeit und Flexibilität.
Mit einem zusätzlichen Vorteil von PLA-Stärke-Mehrschichtfolien in ihrer hervorragenden Barrierefähigkeit für Wasserdampf und Gase stellen sie daher eine solide Alternative zu nicht biologisch abbaubaren Lebensmittelverpackungen dar. Laut European Bioplastics beziehen sich die Hauptvorteile von Biokunststoffen auf 1) die Einsparung fossiler Ressourcen und das Streben nach CO2-Neutralität und 2) die Erhöhung der biologischen Abbaubarkeit des Produktlebenszyklus. Wie letzteres zeigt, sind nicht alle Biokunststoffe biologisch abbaubar. Die folgende Grafik, herausgegeben von European Bioplastics, verdeutlicht dies.
Wie die Grafik zeigt, sind PLA und Stärkeblends biologisch abbaubar, biobasiertes PE und PET hingegen nicht biologisch abbaubar. Insbesondere waren die wichtigsten Verpackungskunststoffe in der EU im Jahr 2019 PE, PP und PET. Da PE, PP und PET wegen ihrer negativen Auswirkungen auf marine und terrestrische Ökosysteme und die globale Gesundheit bekannt sind, ist der Einsatz konventioneller Kunststoffe in der Verpackungsindustrie seit langem umstritten. Da Europa jedoch 2019, 25 % seines Bedarfs an Kunststoffverpackungen durch Biokunststoffe gedeckt hat, wobei Bio-PE, Bio-PET und Bio-PA (Polyamide) am beliebtesten waren, besteht Wachstumspotenzial für Bio-PP, PLA, PHAs (Polyhydroxyalkanoate) und, nach einer möglichen allgemeineren Einführung im Jahr 2023, PEF (Polyethylenfuranoat).
EU-Kreislaufwirtschaft, Net-Zero und Biokunststoffe
Wie drei Forscher der Universitäten von Lettland, Groningen und Maryland argumentieren, ist die Verpackungsindustrie nicht nur der größte Verbrauchermarkt für Kunststoffe in der EU, sondern beträgt der Kunststoffverbrauch dieses Marktes auch 39% des weltweiten Kunststoffverbrauchs. Daher ist das Verständnis der Auswirkungen bestimmter Biokunststoffe auf die Umwelt und die globale Gesundheit eine wichtige Herausforderung in den kommenden Jahren im Rahmen eines deutschen und EU-Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft. Insbesondere sollte die biologische Abbaubarkeit nicht das einzige Kriterium sein, um zu beurteilen, ob ein Kunststoff umweltfreundlich ist, da dies leicht dazu führen würde, alle Biokunststoffe sowohl als umweltfreundliche als auch als ethische Lösung zu akzeptieren.
Bei der Herstellung von Kunststoffen aus Rohstoffen wie Stärke, Zuckerrohr und Zellulose werden laut DUH fossile Brennstoffe für den Anbau und die Verarbeitung von Nutzpflanzen verwendet, wobei sowohl die Eutrophierung als auch die Versauerung von Boden und Wasser, neben dem Verlust der biologischen Vielfalt, damit verbundene Folgen sind. Letzteres beweist, dass noch mehr Forschung zu den Auswirkungen von Biokunststoffen entwickelt werden muss. Wie die oben genannten Forscher darlegen, könnten Biokunststoffe zwar vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, politische Unterstützung und günstigere Kosten in Verbindung mit hohen Ölpreisen haben, ihre Produktion könnte jedoch eine erhebliche Gefahr für die Umwelt darstellen, insbesondere wenn die Nachfrage nach Biokunststoffen steigt.
Nachdem die EU-Einwegkunststoffrichtlinie im Juli 2021 in Kraft getreten ist, wirken sich ihre Vorschriften auf die Biokunststoffindustrie genauso aus wie auf die Kunststoffindustrie im Allgemeinen. Allerdings mit Ausnahme der Verwendung von „natürlichen Polymeren, die nicht chemisch modifiziert wurden”. So könnten zu einem späteren Zeitpunkt PEF, das vollständig biobasiert und zu 100% recycelbar ist, sowie ein Biokunststoff auf Pflanzenproteinbasis, der derzeit von Xampla entwickelt wird, an Bedeutung gewinnen. Mit anderen Worten, während die Biokunststoffindustrie möglicherweise noch nicht genug entwickelt ist, um nur auf vollständig biobasierte und zu 100 % recycelbare Materialien zu setzen, könnten Start-ups diese Herausforderung gemeinsam mit Hochschulen und Forschern angehen.
Inspiration von Niederländischen Start-Ups in der Biokunststoffindustrie
Vor allem, weil es nie eine schlechte Idee ist, sich von dem Wissen Anderer inspirieren zu lassen, könnten deutsche Start-ups aus der Biokunststoffbranche vielleicht ihre Chance nutzen und von ihren direkten geografischen Nachbarn lernen. Da die Niederlande dafür bekannt sind, landwirtschaftliche Innovationen zu fördern, unter anderem durch entsprechende Forschungscluster an der Universität Wageningen, die im Shanghai Ranking 2021 in Agrarwissenschaften weltweit auf Platz 1 liegt, und zudem als weltweit zweitgrößter Lebensmittelexporteur, ist es verständlich, dass die niederländische Verpackungsindustrie nicht hinterherhinkt. Im Jahr 2020 haben die Niederlande als erstes Land ein Abkommen mit der Verpackungsindustrie ausgehandelt, welches die Zirkularität und Wiederverwendung von Materialien adressiert.
Wie Van Veldhoven, Vizepräsidentin des World Resources Institute (WRI) Europe und ehemalige Staatssekretärin für Infrastruktur und Wasserwirtschaft im Juli 2020 ausdrücklich betonte,
„Recycling ist gut, Wiederverwendung ist noch besser. Aus internationaler Sicht gehört die niederländische Verpackungsbranche zu den Vorreitern bei der effizienteren Nutzung von Materialien und der Reduzierung von CO2-Emissionen. Dies verdient ein Kompliment. Gemeinsam arbeiten wir an einer sauberen, grünen Zukunft.“
Stientje Van Veldhoven, 2020
Avantium übernimmt die Führung bei PEF
Während PEF voraussichtlich im Jahr 2023 weitgehender auf dem EU-Markt zu finden sein wird, könnte diese Vorhersage auf einem ehrgeizigen Projekt mit diesem Biokunststoff basieren. Die EU-Bio-based Industries Joint Technology Initiative (BBI-JTI) läuft von 2017 bis 2025 und hat €24,999,610 EU-Förderung mit zusätzlichen Mitteln anderer Förderer erhalten. Eines der Hauptziele der Initiative ist es, einen Großteil des fossilen Polyesters durch das 100 % biobasierte Polyester PEF zu ersetzen.
Koordiniert durch Avantium, ein niederländisches Unternehmen mit Hauptsitz in Amsterdam und drei Pilotanlagen in Geleen und Delfzijl, sieht das letztgenannte Projekt PEF also als praktikable Lösung für erdölbasiertes PET an. Bis 2023 will das Unternehmen 5,000 Tonnen PEF pro Jahr produzieren, wobei Letzteres ein besonders attraktives Verpackungsmaterial für Lebensmittel wie Bier und Fruchtsäfte ist, weil es Sauerstoff und CO2 draußen hält.
BE O Lifestyle
Es mag inspirierend sein, von großen Start-ups wie Avantium zu lernen, aber auch kleinere Start-ups können als große Inspiration dienen. BE O Lifestyle ist ein Start-up, das Trinkflaschen aus Zuckerrohr herstellt, wobei dieses Material mehr als 3 kg CO2 absorbiert. Um die Umweltentlastung zu beschleunigen, kooperiert das Start-up mit Trees for Future, sodass für jede verkaufte Flasche ein Baum in Senegal, Mali, Tschad, Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik, Uganda, Kenia oder Tansania gepflanzt wird.
Darüber hinaus werden die Flaschen aus Restströmen hergestellt, die bei der Lebensmittelproduktion aus Zuckerrohr zurückbleiben. Auf einen Punkt gebracht, BE O Lifestyle adressiert die Kreislaufwirtschaft und auch das Abfallmanagement, da die Flaschen recycelt werden können. Während sowohl der Anbau und die Ernte von Zuckerrohr als auch die Herstellung der Flaschen aus Zuckerrohr zu CO2-Emissionen führt, und PLA auf Zuckerrohrbasis deswegen nicht vollständig biobasiert ist, hält BE O Lifestyle die CO2-Emissionen in Schach, indem es nicht verwertbaren Abfall verbrennt, anstatt die Gewinnung von einer anderen CO2-emittierenden Quelle abhängig zu machen. In Anbetracht von letzteren Bemühungen und der Zusammenarbeit mit Trees for Future werden für jede verkaufte Flasche 80 g CO2 ‘absorbiert’.
Politische Entscheidungen Treffen
Es ist kein Geheimnis, dass Entscheidungen über die Produktion bestimmter Waren, in diesem Fall über Verpackungen, politische Entscheidungen sind. Durch die Gestaltung neuer Produkte, die auf den EU-Markt kommen, kann der Konsum gezielt beeinflusst und Umweltziele angegangen werden. Zumal die Biokunststoffindustrie sowohl ihre Befürworter als auch ihre Kritiker hat, während sie sich noch entwickelt und wächst, bietet diese Branche vielfältige Chancen für Start-ups im kleineren und größeren Maßstab. Unternehmen, die sich für die Herstellung von Biokunststoffen, Innovation mit Hinblick auf Biokunststoffe, Landwirtschaft und Smart-Farming; Wissensschaffung, Bewachung und Forschung mit Bezug auf die Sicherheit von Biokunststoffen sowie soziales Unternehmertum interessieren, könnten in dieser wachsenden Branche ihren eigenen Platz finden. Andere könnten es besonders interessant finden, alternative Lösungen anzubieten, die auf eingehenderen Bewertungen der möglichen negativen Auswirkungen von Biokunststoffen basieren.
Centurion Plus
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