Ein Monat nach dem Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion bekommen immer mehr Unternehmen die Folgen des Brexit zu spüren. Trotz Handelsabkommen ist das Vereinigte Königreich seit dem ersten Januar 2021 für europäische Unternehmen nun ein Drittland. Das bringt neue Zollformalitäten mit sich und wirkt sich auf die Lieferketten von Unternehmen aus, die in Großbritannien Geschäfte machen, sowie auf britische Unternehmen, die in Europa handeln.
Dieser Artikel untersucht die neuen Handelsregeln und ihre Konsequenzen für Verbraucher und Großhändler. Außerdem erörtern wir die mögliche Alternative für britische Firmen, eine Niederlassung in Europa zu eröffnen, um den Handel ohne bürokratischen Aufwand fortzusetzen.
Änderungen im Zollwesen
Alle Unternehmen, die bisher keine Geschäfte mit Drittländern getätigt haben, müssen nun EORI-Nummern, Zolltarifnummern, Zollerklärungen, Ursprungsregeln und Präferenzberechnungen vorlegen und sehen sich mit strengeren Exportkontrollen an den Grenzen konfrontiert, wenn sie Waren aus Großbritannien nach Europa exportieren wollen und umgekehrt.
Branchenexperten kritisieren, dass die Vorschriften für den Handel zwischen Großbritannien und Europa äußerst komplex sind und sich von Produktgruppe zu Produktgruppe unterscheiden. So haben laut einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Außenwirtschaft (BGA) von 500 deutschen Unternehmen bereits 20 % von ihnen britische Lieferanten bis Dezember 2020 aus ihren Lieferketten gestrichen.
Brexit-Implikationen für Großhändler
Kleine Exporteure sind besonders betroffen, da sie sich den Zeit- und Kostenaufwand, der durch die neuen Zollformalitäten entsteht, nicht leisten können. Darüber hinaus weist die Leiterin des Verbandes Seafood Scotland, Donna Fordyce, darauf hin, dass viele Unternehmen der Branche mit ihren IT-Systemen Probleme haben, den erforderlichen Papierkram zu erledigen, um Handel zu ermöglichen.
Vor allem britische Exporteure von Fisch und Meeresfrüchten haben Probleme beim Ausfüllen der komplexen Deklarationen zu Zollgebühren, Lebensmittelsicherheit und Gesundheitszertifikaten. Außerdem verzögern sich durch die strengeren Export- und Importkontrollen die Lebensmittellieferungen. Bei verderblicher Ware können diese Verzögerungen entscheidend sein. Während es vor dem Brexit nur einen Tag dauerte, frischen Fisch von Großbritannien nach Spanien zu transportieren, können diese Lieferungen jetzt mindestens drei Tage in Anspruch nehmen. Laut BBC beklagen schottische Meeresfrüchte-Lieferanten, dass im letzten Jahr nur Stichproben ihrer Lieferungen von den Behörden überprüft wurden, während seit Januar alle Anhänger untersucht werden. Folglich nimmt dieser Prozess nun mehr Zeit in Anspruch und wirkt sich immens auf die Lieferketten aus. Internationale Medien berichten von leeren Regalen in nordirischen Supermärkten als Folge der Verzögerungen in der Lieferkette von frischen Lebensmitteln seit Januar 2021.
Für viele Unternehmen haben die Komplikationen im Handel zwischen Großbritannien und Europa das Geschäft unrentabel gemacht, da die bürokratischen Anforderungen und Verzögerungen sie rund 500 Pfund pro Tag kosten können.
Persönliche Güter sind seit Januar ebenfalls von den Zollformalitäten und Handelsregeln betroffen. So ist es Fernfahrern beispielsweise untersagt, Produkte tierischen Ursprungs für den persönlichen Gebrauch, wie z. B. ein Käsesandwich, nach Europa zu bringen. Laut BBC wurden britische LKW-Fahrer an der holländischen Grenze angehalten und ihre persönlichen Lebensmittel aufgrund der neuen Brexit-Bestimmungen beschlagnahmt.
Änderungen für Verbraucher
Die europäischen Verbraucherrechte garantieren Kunden beispielsweise ein 14-tägiges Rückgaberecht bei ihrem Online-Händler. Nach dem Brexit gelten diese Regeln nicht mehr für Online-Käufe bei britischen Händlern. Kunden sollten das Kleingedruckte sorgfältig lesen, um zu vermeiden, dass sie für den Transport ihrer Rücksendung aufkommen müssen oder sie mit zusätzlichen Kosten aufgrund der Mehrwertsteuer oder Einfuhrgebühren rechnen müssen. Wenn EU-Einzelhändler Pakete mit Waren aus dem Vereinigten Königreich an ihre Kunden schicken, müssen sie nun Zollerklärungsformulare ausfüllen, was mit einem Mehraufwand und Zeit verbunden ist. Folglich haben einige Firmen damit begonnen, ihren Kunden dafür zusätzliche Bearbeitungsgebühren zu berechnen.
Rückgang der exportierten Waren
Der Handel zwischen der EU und Großbritannien hat sich in den vergangenen Wochen stark verringert. Die Road Haulage Association schätzt, dass seit dem Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt am 1. Januar 2021 nur noch rund 2.000 Lkw pro Tag auf Fähren den Kanal überquert haben. Vor dem Brexit waren es täglich zwischen 5.000 und 6.000 Lkw, die Waren anlieferten. Seit Anfang des Jahres ist das Frachtaufkommen im Dubliner Hafen im Vergleich zum Januar 2020 um etwa 50 % gesunken.
Viele Unternehmen haben den Transport von Gütern von Großbritannien nach Europa aufgrund der gestiegenen Komplexität und der entsprechenden Unrentabilität bereits reduziert oder eingestellt. DB Schenker zum Beispiel, das zur Deutschen Bahn gehört, beschwerte sich über die zeitraubenden bürokratischen Vorschriften, die jetzt mit dem Export nach Großbritannien verbunden sind. Daraufhin haben sie ihre Lieferungen eingestellt. Der Logistik- und Kurierdienstleister DPD hat das Gleiche getan und nennt als Grund die erhöhte Belastung durch die veränderte Zollbürokratie. Zudem seien in den ersten Tagen nach dem Brexit im Jahr 2021 fast 20 % der Pakete ohne ausreichende Zollerklärung verschickt worden und hätten deshalb an die Absender zurückgeschickt werden müssen.
Verlagerung nach Europa zur Umgehung der Brexit-Formalitäten
Längere Lieferzeiten beim Transport von Großbritannien nach Europa können für viele Unternehmen erhebliche Auswirkungen auf Lieferketten und Buchhaltungsprozesse haben. Infolgedessen überprüfen EU-Exporteure ihre Prozesse neu. Eine Lösung ist es, die Produktion zu verlagern oder die Lieferanten zu wechseln. Laut dem Guardian raten sogar Mitarbeiter des britischen Ministeriums für internationalen Handel Unternehmen, eigene Niederlassungen in Europa zu gründen, um Steuern, bürokratische Komplikationen und Lieferverzögerungen zu vermeiden.
Deutschland lockt Investoren und Unternehmen nicht nur mit seiner idealen Lage im Herzen Europas, sondern ebenso mit einer stabilen Wirtschaft, einer entwickelten Infrastruktur, Industrienetzwerken, qualifizierten Arbeitskräften und zahlreichen F&E-Möglichkeiten. Der europäische Binnenmarkt bietet Zugang zu 500 Millionen potenziellen Kunden, Handelsabkommen zwischen den Mitgliedsstaaten und freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Geld.
Da London eines der ältesten Finanzzentren der Welt ist, war Großbritannien schon immer ein bevorzugter Standort für Unternehmen aus dem Finanzsektor. Seit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union planen jedoch mehr Finanzinstitute, ihren Hauptsitz nach Deutschland zu verlegen oder weitere Niederlassungen in Europa zu etablieren. Nach Angaben des Finanzministeriums haben sich im Jahr 2020 bereits 55 ausländische Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen um Banklizenzen in Deutschland beworben.
Ressourcen, um den Brexit erfolgreich zu meistern
- Die Europäische Kommission hat einen zentralen Service für alle Brexit-Fragen eingerichtet.
- Um insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen auf die Veränderungen vorzubereiten, hat die Europäische Kommission außerdem eine Checkliste veröffentlicht.
- Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat eine Telefon-Hotline für Unternehmer mit Fragen zur Brexit-Entscheidung eingerichtet
- Die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Deutschland bietet ebenfalls eine Brexit-Checkliste an, in der alle Bereiche aufgeführt sind, auf die man achten sollte.
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