Im Jahr 2016 hat die Bundesregierung den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Menschenrechte in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu schützen, um Menschenrechte weltweit zu schützen und der Globalisierung eine soziale Dimension im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu geben. Zur Unterstützung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte konzentriert sich der NAP auf vier Handlungsfelder, darunter das Engagement der Bundesregierung, die unternehmerische Sorgfaltspflicht, die Umsetzungsunterstützung sowie der Zugang zu Abhilfe und Wiedergutmachung.
Während die Sorgfaltspflichten von Unternehmen ab 2023 durch das Lieferkettengesetz durchgesetzt und standardisiert werden, adressiert letzteres Gesetz wohl bemerkt nicht die Rolle von KMUs und Start-ups beim Schutz der Menschenrechte in Lieferketten und darüber hinaus. Dennoch haben Start-ups und KMUs einen erheblichen Einfluss auf den Schutz der Menschenrechte. Dieser Artikel gibt einen Überblick über Lieferketten und Sorgfaltspflichten in Deutschland und auf EU-Ebene, um Start-ups einen Anreiz zu geben ihre eigene Einhaltung des Schutzes von Menschen- und Arbeitnehmerrechten kritisch zu überprüfen.
Wirtschaft und Menschenrechte in Deutschland
Das Sorgfaltspflichtengesetz (“Lieferkettengesetz”)
Im Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag im Rahmen der Überarbeitung des NAP das Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht in Lieferketten verabschiedet, nachdem mehr als 50 Unternehmen wie Ben & Jerry’s, Tchibo, Tony’s Chocolonely und Weleda ein „wirksameres Lieferkettengesetz forderten, welches sich konsequent an internationalen Standards orientiert, um die Rechte aller Betroffenen zu schützen und einen fairen Wettbewerb wiederherzustellen”. Mit internationalen Standards waren vor allem die OECD-Leitlinien zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln und die oben genannten UN-Leitlinien zu Wirtschaft und Menschenrechten gemeint.
Genauer gesagt forderten letztere Unternehmen Folgendes:
- Das deutsche Lieferkettenrecht sollte den risikobasierten Ansatz der UN-Leitprinzipien übernehmen und die OECD-Richtlinien konsequent anwenden und insbesondere dafür sorgen, dass proaktive Sorgfaltspflichten für die gesamte Wertschöpfungskette gelten.
- Das Gesetz sollte sich auf die Rechte der Betroffenen und auch auf die Anforderungen an die Wiedergutmachung konzentrieren um eine Wettbewerbsgleichheit zu schaffen.
- Der Anwendungsbereich soll nicht an eine Mindestgröße für Unternehmen geknüpft sein und das Gesetz soll auch für Unternehmen mit Geschäftstätigkeiten in Deutschland gelten.
Unterdessen unterstützt von der Zivilgesellschaft, öffentlichen Verwaltung und akademischen Kreisen wurde das Gesetz mit 412 Ja-, 159 Nein-Stimmen und 59 Enthaltungen angenommen. Ihr Anwendungsbereich sieht jedoch nur eine verpflichtende Einhaltung der Menschenrechte und Sorgfaltspflichten für Unternehmen mit mindestens 3,000/ 1,000 Beschäftigten in Deutschland im Jahr 2023/ 2024 vor. Letzteres hat unter anderem zu Kritik von Aktivisten wie der ‘Initiative Lieferkettengesetz’ geführt, welche kürzlich eine Stellungnahme mit Bezug auf das Lieferkettengesetz veröffentlicht hat. Darin wurde betont, dass es notwendig ist:
- von indirekten Lieferanten neben direkten Lieferanten und der eigenen Geschäftstätigkeit umfassende Sorgfaltspflichten einzufordern.
- einen neuen zivilrechtlichen Klagegrund zu schaffen, um Unternehmen für Schäden haftbar zu machen, die durch die Nichteinhaltung ihrer Sorgfaltspflichten entstehen.
- Umweltsorgfaltspflichten in einem unabhängigen, umfassenden Rahmen ausreichend zu adressieren.
- den Betroffenen wirksame Abhilfemaßnahmen im Einklang mit den UN-Leitprinzipien zur Verfügung zu stellen, die vorsehen, dass Unternehmen potenziell betroffene Gruppen vorab konsultieren, um Menschenrechtsrisiken zu bewerten.
- einen geeigneten Anwendungsbereich zu adressieren, in dem KMUs auch in Bezug auf Menschenrechtsverpflichtungen und Umweltfragen zur Rechenschaft gezogen werden.
- für einen Schutz der Menschenrechte in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit (d. h. geschlechtsspezifische Gewalt) und die indigenen Rechte (d. h. Diskriminierung) zu garantieren.
- für die Unabhängigkeit des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) von der politischen Einflussnahme auf das Bundeswirtschaftsministeriums zu sorgen.
- Rechtssicherheit zu schaffen, da die CDU auf eine Klausel gedrängt hat, die besagt, dass das Gesetz keinen neuen Klagegrund für die Betroffenen schafft.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Lieferkettengesetz zwar gelobt wird, zu einem Paradigmenwechsel beigetragen zu haben; vor allem im Hinblick auf die Prävention, Verbandsklagen, einem ersten und erweiterten Spielraum für Umweltverpflichtungen im Vergleich zu früheren Gesetzen wie auch mit Hinblick auf die Bereitstellung weiterer Rechte für Betriebsräte und die Möglichkeit, Rechtsverletzungen an das BAFA zu melden; jedoch gibt es noch viel Spielraum für langfristige Verbesserungen. Gerade wegen den oben genannten Lücken hat die ‘Initiative Lieferkettengesetz’ einen noch umfassenderen EU-Rahmen für Sorgfaltspflichten gefordert.
Wirtschaft und Menschenrechte auf EU-Level
Auf dem Weg zu einem EU-System der Sorgfaltspflicht für Lieferketten
Im Oktober 2020 veröffentlichte der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments (EPRS) einen Bericht mit dem Titel „Auf dem Weg zu einem EU-System der Sorgfaltspflicht für Lieferketten“, in dem betont wird, dass die EU zwar bereits strenge Sorgfaltspflichten auf sektorübergreifender Ebene durchsetzt (d. h. mit Bezug auf Mineralien und Holz), die Europäische Kommission (EK) es jedoch für notwendig hält weitere verbindliche Rechtsvorschriften zum Schutz von Menschenrechten und Umweltnormen in internationalen Lieferketten zu erlassen. Unter anderem kam das Europäische Parlament (EP) auf Grundlage einer Studie zur Bekleidungsbranche zu dem Schluss, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung nicht ausreicht, um Menschen- und Arbeitnehmerrechte, die Sicherheit in Lieferketten, den Umweltschutz und die Nachhaltigkeit, die Gleichstellung der Geschlechter und das Verbraucherbewusstsein zu fördern.
Auf der Grundlage der letztgenannten Feststellung haben sowohl die EK als auch das EP eine Studie zu „Due diligence requirements through the supply chain” und zwei weitere Informationsberichte zu „Substantive Elements of Potential Legislation on Human Rights Due Diligence” (Briefing Nº1) veröffentlicht sowie „EU Human Rights Due Diligence Legislation: Monitoring, Enforcement and Access to Justice for Victims” (Briefing Nº2). Nachfolgend finden Sie einen Überblick über vermerkte Empfehlungen und abschließende Bemerkungen dieser Berichte mit Fokus auf die Erwartungen von Unternehmen.
- Briefing Nº1: Wesentliche Elemente potenzieller Rechtsvorschriften zu HRDD
Die potenzielle ‘EU-Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte’ sollte:
- einen umfassenden Geltungsbereich der Menschenrechte im Sinne der UDHR, der beiden Pakte (d. h. ICCPR und ICESCR), weiterer globaler Menschenrechtsverträge, der ILO-Kernstandards und anderer international anerkannter Menschenrechtsinstrumente wie UNDRIP abdecken.
- sich nicht darauf beschränken, nur schwere Menschenrechtsverletzungen zu schützen und gefährdete Gruppen mit einbeziehen, indem auf andere Menschenrechtsverträge und -instrumente verwiesen wird (z. B. CEDAW, CRC, CRPD und UNDRIP).
- Unternehmen und Geschäftsaktivitäten unabhängig von Größe und Umfang durch einen branchenunabhängigen Ansatz und mit Hinblick auf nicht-direkte Lieferanten entlang der Wertschöpfungskette abdecken.
- Unternehmen verpflichten, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Menschenrechte im Zusammenhang mit ihrer Geschäftstätigkeit zu analysieren, zu mindern und zu beheben.
- die EU-Mitgliedstaaten verpflichten, angemessene Durchsetzungs- und Rechtsbehelfsmechanismen auf Landesebene durch eine Reihe verschiedener Umsetzungsmechanismen zu gewährleisten, einschließlich verwaltungs-, zivil- und (möglicherweise sogar) strafrechtlicher Instrumente, wobei erstere bei Nichteinhaltung mit Sanktionen belegt werden kann
- Briefing Nº2: Monitoring, (rechtliche) Durchsetzung und Zugang zur Justiz für Opfer
Die potenzielle ‘EU-Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte’ sollte unter anderem:
- Monitoring:
- von Unternehmen eine periodische Überwachung fordern, um eine Reihe von geschäftsbezogenen Aspekten (d. h. Geschäftsstruktur, potenzielle Menschenrechtsrisiken und -auswirkungen usw.) zu adressieren;
- Unternehmen auffordern, Beschwerdemechanismen einzurichten und Arbeitnehmer in Überwachungsprozesse einzubeziehen;
- sollten von Unternehmen verlangen, Informationen über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten in einem standardisierten Format online frei zugänglich zu machen.
Dabei würden die EU-Mitgliedstaaten und die EU die Durchsetzung eines HRDD-Gesetzes übernehmen und auch für die Abhilfe zuständig sein, wie im entsprechenden Bericht zum Briefing Nº2 angegeben. Insgesamt zeigen beide Berichte, dass die potenzielle EU-Gesetzgebung zu HRDD ein umfassendes Instrument mit weitreichenden Auswirkungen darstellen könnte. Anders als das deutsche Lieferkettengesetz würde letzteres auch KMUs und, obwohl sie nicht explizit genannt werden, vermutlich Start-ups mit einbeziehen.
Wirtschaft und Menschenrechte: Der Fall von Start-Ups
Während das deutsche Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht in Lieferketten Start-ups nicht einbezieht, könnten sich Start-ups durchaus vom deutschen Lieferkettengesetz, dem Entwurf eines EU-Systems zur Sorgfaltspflicht für Lieferketten und, im weiteren Sinne, von den UN- und OECD-Leitsätzen inspirieren lassen. Eine der Hauptfragen mit Bezug auf die Einbeziehung von KMUs und Start-ups in die potenzielle EU-Gesetzgebung zu HRDD könnte sich wohl auf den Aufbau von Netzwerken für Monitoringzwecke beziehen. Insbesondere Start-ups mit geringerer Reichweite könnten von solchen Netzwerken profitieren, um sowohl ihre Einhaltung von Menschenrechtsverpflichtungen und Umweltstandards zu standardisieren als auch Monitoring-Bemühungen effektiv zu organisieren.
Mit anderen Worten, es müsste angegangen werden, wie die Aufgaben, die die EU auf breiterer Ebene übernimmt, von lokalen Organisationen oder Start-up-Hubs zur Unterstützung von Start-ups übernommen werden könnten. Denkbar wäre natürlich auch, dass Supply Chain Start-ups eine solche Aufgabe übernehmen, was zu einer Stärkung regionaler Gründungsnetzwerke in Deutschland führen könnte.
Centurion Plus
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