Laut dem “Migrant Founders Monitor 2021”, der im April 2021 erstmals vom Bundesverband Deutscher Start-Ups und der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) veröffentlicht wurde um die Wirkung von Gründerinnen und Gründern mit Migrationshintergrund auf dem deutschen Markt zu messen, sind 57% der Gründer, die 2020 befragt wurden, sind nicht in Deutschland geboren. Desweiteren verfügen 91% der Gründer unter 25 oder über 64 Jahren über einen akademischen Hintergrund und 48% über solide internationale Netzwerke. Da die Hauptsprache von 54% dieser Start-ups Englisch ist und 47% der Teammitglieder einen Migrationshintergrund aufzeigen, kann man definitiv behaupten, dass migrantische Gründerinnen und Gründer zur Innovation und Vielfalt sowie der Exzellenz der deutschen Startup-Szene beitragen!
Dieser Artikel konzentriert sich darauf, den Impact und das Potenzial von Migrantengründungen in Deutschland zu skizzieren, vor allem da diese Gruppe zu einem Paradigmenwechsel in der Beschäftigungspraxis beitragen könnte.
Lückenschließung auf dem Deutschen Arbeitsmarkt
Laut einer aktuellen Studie der Bundesanstalt für Arbeit haben die Beschäftigtenzahlen sowohl aus den PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien) als auch aus außereuropäischen Ländern (d. h. Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien) in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Während die Zahl der Beschäftigten aus den PIIGS-Staaten im Zuge der weltweiten Finanzkrise spätestens ab 2010 kontinuierlich gestiegen ist, ist die Zahl der Beschäftigten aus dem außereuropäischen Ausland von 2014-2015 bis heute besonders stark gestiegen, unter anderem im Zusammenhang mit globalen Flüchtlingskrisen und, zumindest bei den PIIGS-Staaten, verstärkter Migration nach der globalen Finanzkrise.
Allerdings haben Migranten aus dem außereuropäischen Ausland einen geringen Nachteil gegenüber Migranten aus den PIIGS-Staaten, wenn es um die Sicherung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gegenüber einer geringfügigen Beschäftigung in Deutschland geht. Im November 2020, hatte dieser Unterschied Auswirkungen auf die Existenzgrundlagen von 28,395 Migranten, wobei jedoch berücksichtigt werden muss, dass bestimmte lebensstilbezogene Faktoren diese Zahlen beeinflussen können (z. B. Mutterschaft/Vaterschaft).
Dennoch weisen die Arbeitslosenzahlen darauf hin, dass Migranten aus außereuropäischen Ländern seit 2016 bei der Beschäftigungssuche deutlich größeren Herausforderungen gegenüberstehen als Migranten aus PIIGS-Staaten. Während die Arbeitslosenzahlen für beide Gruppen während der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 ihren Höhepunkt erreichten, besaßen Migranten aus den PIIGS-Staaten weit weniger Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II), während Migranten aus außereuropäischen Ländern seit 2016 vermehrt Sozialleistungen in Anspruch nehmen konnten Leistungen. Letzteres impliziert, dass beide Gruppen unterschiedliche Herausforderungen bei der Existenzsicherung und dem Karrieresprung in Deutschland erleben.
Eine der Herausforderungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist die Sprachbarriere, wie das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) argumentiert. Weitere Herausforderungen, von denen insbesondere Flüchtlinge in Deutschland betroffen sind, beziehen sich laut einem Positionspapier des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung aus dem Jahr 2019 auf das Fehlen von:
- Bildung und Fachwissen;
- Kenntnissen über den deutschen Arbeitsmarkt;
- Sozialer Integration und (Geschäfts-)Netzwerken;
- Psychischem Wohlbefinden sowie Zugang zu psychologischer Unterstützung und;
- Wirksamen bürokratischen und institutionellen Strukturen.
Während die Fachkräftestrategie 2018 einen Versuch der Bundesregierung markierte, die Beschäftigungslücke zu schließen und ausländische Arbeitskräfte in den deutschen Arbeitsmarkt zu ‘integrieren’, wobei das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) vom März 2020 eine Fortsetzung früherer Bemühungen darstellt, könnte das Unternehmertum durchaus bieten eine Nische für qualifizierte und ungelernte Wanderarbeitnehmer darstellen. Schließlich gedeiht Unternehmertum durch die Vielfalt von Teams und ist selbst das beste Beispiel dafür, dass undogmatische Ansätze zur Arbeit und Beschäftigung in der Wirtschaft Pionierarbeit leisten können. BioNTech könnte wahrscheinlich eines der jüngsten Beispiele dafür sein, das den Wert dessen zeigt, die Innovationen von Migranten zu begrüßen.
Ein Intersektionaler Ansatz für das Diversity- und Change Management
Eine stärkere Betonung der Notwendigkeit, Migranten in die Veränderung der ‘Qualifikations- und Diversitätslandschaft’ des deutschen Arbeitsmarktes mit einzubeziehen, könnte durch die Annahme eines intersektionalen Ansatzes der Integrationspolitik und die Anwendung eines solchen Ansatzes in der deutschen Start-ups Szene operationalisiert werden. Laut Prof. Kimberlé Crenshaw,
“Intersektionalität ist ein analytischer Ansatz, ein rechtliches und politisches Instrument und ein theoretisches Konzept, das die verschiedenen Schichten von Vor- und Nachteilen erfasst, die jeder aufgrund gesellschaftlicher und struktureller Systeme erlebt. Zu diesen Systemen gehören Rassismus, Kapitalismus und das Patriarchat, ihre Nebenprodukte: Klassismus, Altersdiskriminierung, Homo- und Transphobie, Cis- und Heterosexismus, Fatphobie und andere.”
EQUINET 27. Juli 2020
Die aktive Einbeziehung von Migranten in den Umbau der deutschen Wirtschaft könnte daher zur Schaffung eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems führen, dessen Schichten zwangsläufig integrativer sind, da die Strukturen dieses Systems sorgfältig von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Lebensstilen, Fähigkeiten und Bedürfnissen geschaffen wurden. Welche Rolle dabei öffentliche Institutionen, der deutsche Mittelstand und KMUs spielen, dürfte stark von den politischen Ansätzen der neu gewählten Bundesregierung abhängen. Die Unterstützung von Migranten bei ihrer Integration in die deutsche Gründerszene könnte sowohl für Unternehmer als auch für die deutsche Wirtschaft von großem Nutzen sein.
Erstens zeigen Migranten bereits ein großes Interesse an der deutschen Gründerszene. Anstatt zu versuchen, sie in das traditionelle deutsche Berufsausbildungssystem zu ‘integrieren’ oder sie in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen stecken zu lassen, könnte es ein produktiverer Ansatz sein, die Fähigkeiten von Migranten neu zu definieren, gegenüber dem, was sie schaffen wollen und können. Obwohl migrantische Gründerinnen und Gründer mit Herausforderungen wie Sprachbarrieren, bürokratischen Strukturen, einer fehlenden „Willkommenskultur” und der Anerkennung ausländischer Abschlüsse konfrontiert sind, zeigen sie eine hohe Risikobereitschaft, eine Eigenschaft, die Innovationen beschleunigen könnte.
Zweitens, insbesondere weil die meisten Migranten in der Umfrage 2020 enge Verbindungen zu entsprechenden internationalen Netzwerken hatten, könnte ein leichterer Zugang zur deutschen Gründerszene durch ein Modell, das ihre Grundrechte und ihr Recht auf soziale Sicherheit respektiert, zur Förderung eines wechselseitigen Integrationsmodells führen, bei dem Migranten sowohl auf der gebenden als auch auf der empfangenden Seite stehen. Kurz gesagt, die deutsche Gründerszene könnte ein Raum sein, in dem unter dem Dach einer ‘aktiven Bürgerschaft’ aus eigener Initiative zukünftige Fähigkeiten trainiert werden können. Letzteres könnte auch dazu beitragen, Arbeitnehmer für ihre besonderen Qualifikationen anzuerkennen (d. h. in einem bestimmten technischen Bereich), sodass nicht nur der Wert von ‘hochqualifizierten’ Fachkräften betont wird.
Drittens könnte der Aufbau unterschiedlich qualifizierter Fachkräfte in internationalen Teams in der deutschen Start-Up-Szene zur Etablierung einer Branche führen, in der ein Abbau von Hemmnissen (zB Sprachbarrieren, bürokratische Strukturen, fehlende Netzwerke und Finanzierungsmöglichkeiten) gleichermaßen Wanderarbeitern und der deutschen Wirtschaft zugute kommt. Denn die größten Herausforderungen, denen Start-ups in Deutschland gegenüberstehen, stimmen vermutlich mit einigen der Herausforderungen überein, denen Migranten gegenüberstehen. Die größten Herausforderungen sind vermeintlich die (wirtschaftliche) Unsicherheit, die Prekarität und der fehlende Zugang zu sozialer Sicherheit. Darüber hinaus kann die Integration in internationale Teams einen Gruppengeist schaffen, indem Migration als gemeinsame Erfahrung gestrafft wird.
Kurz gesagt, könnte die Fokussierung auf den Umbau der deutschen Gründerszene als Motor für Beschäftigung, Innovation, Integration und Diversität automatisch auch zu einer Umstrukturierung der deutschen Wirtschaft führen. Migranten in solch einen ehrgeizigen Wandel einzubeziehen bedeutet, sich für die Inklusion einzusetzen, mit dem Vorteil, internationale Geschäftsnetzwerke zu fördern. Angesichts der Tatsache, dass eine solche Umstrukturierung auch nach der COVID-19-Pandemie Plattformarbeit ermöglichen könnte, wären Migranten an einem Paradigmenwechsel über die Zukunft der Arbeit beteiligt. Ihre unterschiedlichen Kenntnisse und Netzwerke könnten den deutschen Mittelstand sicherlich noch robuster machen.
Darüber hinaus, aufgrund des grassierenden Fachkräftebedarfs im Bereich der Klimaschutzmaßnahmen und der Digitalisierung, würde es auch mit dem deutschen Klimaschutzplan 2050 und der Digitalen Strategie 2025 resonieren, die deutsche Start-Up-Szene attraktiver und lukrativer für Arbeitsmigranten zu machen.
Centurion Plus
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