Am 8. Februar 2022 fand in Paris und online die Scale-Up Europe Konferenz statt, an der unter anderem der deutsche Bundesfinanzminister Christian Lindner, der französische Minister für Wirtschaft und Finanzen Bruno Le Maire und der französische Staatssekretär für den digitalen Wandel und elektronische Kommunikation Cédric O teilnahmen. „Scale-Up Europe ist ein Aufruf, die Kräfte rund um Start-ups zu bündeln, um die Souveränität Europas zu stärken, den Wohlstand seiner Volkswirtschaften und Gesellschaften zu fördern und die Ziele des sozialen Zusammenhalts und des Klimawandels zu erreichen, die im Mittelpunkt des europäischen Projekts stehen”, so heißt es auf der Website von Scale-Up Europe.
Während Letzteres durch die gemeinsame European Tech Champions Initiative (ETCI) nicht direkt betont wurde, wird die Unterstützung von Gründern mit Migrationshintergrund wohl eine Rolle dabei spielen, sicherzustellen, dass diese Initiative wirklich ein Schritt in Richtung sozialer Kohäsion ist – zumindest mit Blick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Zukunft. Sowohl Deutschland als auch Frankreich haben sich verpflichtet, die Initiative mit jeweils €1 Milliarde Euro zu unterstützen – zunächst als Starthilfe. Dieser Artikel bietet Hintergrundinformationen über die Scale-Up Europe Conference und das ETCI, um Gründer mit Migrationshintergrund über die neuesten Entwicklungen im Bereich Technologie und Finanzierung in Europa zu informieren.
Die Scale-Up Europe Konferenz und die ETCI: Tech Kohäsion in der EU
Wie bereits erwähnt, fand am 8. Februar die Scale-Up Europe Conference statt, um zu erörtern, wie Tech-Start-ups in Europa mit Scale-ups unterstützt werden können. Die wichtigsten Herausforderungen, die in diesem Zusammenhang im Vorfeld der Konferenz genannt wurden, bezogen sich auf die Tatsache, dass: 1) die Finanzierung in der späten und der Exit-Phase nicht zugänglich ist, 2) europäische Tech-Start-ups oftmals die Diversität aufopfern, um sich für die ‘besten’ Talente zu entscheiden, 3) Europa noch nicht auf den Deep-Tech-Zug aufgesprungen ist bzw. Deep-Tech in Europa noch nicht so weit entwickelt ist, 4) die Kooperationsmodelle zwischen Start-ups und Unternehmen verbessert und ihre Zusammenarbeit gestärkt werden könnte, 5) Investitionen gezielter auf den Aufbau einer florierenden und dynamischen europäischen Tech-Gemeinschaft im Einklang mit der Vision des Scale-Up Europe Manifests ausgerichtet werden müssen. Wie im Scale-Up Europe Report näher erläutert, wurde die Scale-Up Europe Initiative im Dezember 2020 von Emmanuel Macron ins Leben gerufen. Das übergeordnete Ziel der Initiative ist es, „bis 2030 die Heimat von zehn Technologieunternehmen zu werden, die jeweils einen Wert von mehr als €100 Mrd. haben”.
Bislang haben sich 170 Tech-Leader und 30 Start-up-Verbände zu der Initiative bekannt, weshalb an der Scale-Up Europe Conference auch Gründer und Vertreter regionaler Start-up-Verbände wie Christian Miele, Chef des Bundesverbands Deutsche Startups, Alice Albizzati, Gründungspartnerin des Wachstumsfonds Revaia, und Marie-Avril Roux Steinkühler, Gründerin der Boutique-Kanzlei Mars-IP, die sich auf geistiges Eigentum, Kommunikation und neue Technologien spezialisiert hat, teilnahmen. Gerade weil es sich bei Mars-IP um ein Start-up mit französischem, deutschem und europäischem Ansatz handelt – gegründet in Paris und derzeit in Berlin ansässig-, ist sicherlich zu betonen, dass die Förderung einer verbesserten Mobilität innerhalb der EU nicht (mehr) allein an die Einwanderungspolitik und das Einwanderungsrecht gebunden ist. Die Überschneidung von Migration und Wirtschaft muss in Zukunft sicherlich viel besser verstanden werden, um auch Nicht-EU-Bürgern die Gründung und Expansion von Unternehmen in Europa zu erleichtern.
Wenn Nicht-EU-Bürger in Europa ein Unternehmen gründen wollen, müssen sie natürlich nachweisen, dass ihre Geschäftsidee tragfähig ist – das heißt, dass sie sich positiv auf die deutsche Wirtschaft auswirken muss. Andernfalls kann es schwierig sein, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, die zudem daran gebunden ist, dass bereits vor der Einreise nach Deutschland eine ausreichende Finanzierung nachgewiesen werden kann. Gerade für Tech-Start-ups und Unternehmer, die digital affin sind, könnte letzteres funktionieren, solange deutsche Unternehmen an ihnen interessiert sind und sich eben online finden. Für den Durchschnittsmenschen – oder sogar für einige Tech-Nerds – kann es jedoch schwierig sein, ohne ein bereits etabliertes Netzwerk in Deutschland und ohne Kenntnisse über die deutsche Tech-Szene eine Finanzierung zu erhalten. Die politischen Entscheidungsträger sollten diese Lücke schließen, indem sie nach Talenten für den Aufbau dieser zehn gigantischen Technologieunternehmen innerhalb und außerhalb der EU suchen und Netzwerke für Start-ups im Bereich Tech und Deep Tech anregen – auch aus der Ferne.
Während Nicht-EU-Bürger alternativ ein Geschäftsvisum beantragen können, um für einen Zeitraum von 3 Monaten nach Deutschland zu kommen, kann die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis für Selbstständige etwas komplizierter sein. Die IHK Berlin weist darauf hin, dass Antragsteller auch nachweisen müssen, dass ihr Unternehmen ( bzw.ihre Geschäftsidee) positive Auswirkungen auf die Region haben wird, und dass das Antragsverfahren etwas langwierig ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es nicht unbedingt einfach ist, als Nicht-EU-Bürger in Deutschland ein Unternehmen von Grund auf zu gründen, was das Argument unterstreicht, dass Risikokapitalfirmen und andere Investoren online nach Talenten suchen und mit KMUs zusammenarbeiten sollten, um zu verstehen, wo die Möglichkeiten zur Verbesserung der Mobilität in der Wirtschaft noch nicht ausgeschöpft sind. Wie Christian Lindner auf der Scale-Up Europe Conference sagte, sind „gute Finanzierungsmöglichkeiten in allen Phasen des Wachstums eines Unternehmens [sind bedeutend und] es ist für die gesamte Europäische Union [auch] von zentraler Bedeutung, dass europäische Unternehmer Zugang zu genügend Kapital aus Europa haben”.
Letzteres mag zwar so klingen, als könnten nur europäische Unternehmer im Rahmen der ETCI gefördert werden, doch sollte auch bedacht werden, dass Nicht-EU-Bürger und -Gründer einen enormen Beitrag zum EU-Markt leisten können, vor allem, wenn sie bereits ein erfolgreiches Unternehmen im Ausland gegründet haben und ihren Hauptsitz mit der richtigen Unterstützung verlagern wollen. Wie Lindner ausführte, zielt das ETCI vor allem auf Expansionen ab, da Europa Tech-Giganten und andere große und erfolgreiche Start-ups oftmals an andere Länder verliert, da es an attraktiven Risikokapitalfonds und anderen Finanzierungsformen für spätere Phasen mangelt. Kurz gesagt, das ETCI ist nichts für Gründer in der Frühphase – aber für Gründer mit Migrationshintergrund in späteren Phasen könnte es eine attraktive Option sein. Lindner hat wohl nicht richtig betont, dass es beim ETCI eher darum geht, Tech-Champions die Möglichkeit zu geben, von Europa aus und zum Nutzen Europas Geschäfte zu machen, als ‘europäische Unternehmer’ zu unterstützen. Letzteres sollte in der Tat nicht verwechselt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Betonung der Bedeutung von der Diversität in Lindners Rede etwas zu kurz kam, obwohl sie in der Tat einer der Schlüssel zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel sein kann. Vor allem, weil Menschen mit unterschiedlichen Ideen, Hintergründen und Fähigkeiten einem Unternehmen helfen können, erfolgreich, relevant und produktiv zu bleiben, sind die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Migration und die Mobilität Themen, die im Zusammenhang mit der ETCI diskutiert werden müssen. Sollte diese Initiative tatsächlich erfolgreich sein, könnten die zehn Technologieunternehmen mit einem Wert von mehr als €100 Mrd. auch daran interessiert sein, die Gründung von Tochterunternehmen zu unterstützen – was, wenn die politischen Entscheidungsträger dies beschließen, auch eine Chance zum Einsatz für Nicht-EU-Bürger darstellen könnte. Was auch immer die Zukunft bringt, es ist wichtig zu verstehen, dass die ‘technologische Kohäsion’ auch den sozialen Zusammenhalt erfordert. Nur durch die Förderung von Mobilität und Unternehmertum, auch in späteren Gründungsphasen, kann sichergestellt werden, dass die innovative und vielfältige Teams gebildet werden, die sich bewusst dafür entscheiden den die Tech-Industrie in der EU zu fördern.
Centurion Plus
Wenn Sie ein Unternehmer, ein Start-up oder ein Unternehmen mit Tech-Hintergrund sind, dann unterstützen wir Sie sehr gerne bei Fragen rund um den Umzug nach Deutschland oder Europa – auch wenn Sie bereits dort ansässig sind, sind wir natürlich für Sie da, um Sie auf Ihrer Reise zu unterstützen! Wir beschäftigen Rechtsexperten mit Kenntnissen in verschiedenen afrikanischen Jurisdiktionen und verfügen über langjährige Erfahrung in der Beratung zu Themen wie Arbeit und Immigration, Steuern und Zoll, Verträge und Verhandlungen, Corporate Governance und Compliance sowie Datenschutz. Neben unseren afrikanischen Büros haben wir seit 2020 auch ein Büro in Deutschland. Kontaktieren Sie uns noch heute für ein erstes Beratungsgespräch!